Freitag, 4. Februar 2011

Stipendien(un)kultur

(Vorsicht Texteintrag! Und dazu noch politisch und abseits des Studiums)
Kultur [zu Lateinisch cultura, „Bearbeitung“, „Pflege“, „Ackerbau“, von colere, „wohnen“, „pflegen“, „den Acker bestellen“ (Wikipedia)] hat eine sehr weitreichende Definition. Doch was ist Kultur für mich? Kultur ein Begriff den ich mit meist positiven Handlungsweisen, Bräuchen und Geohnheiten assoziiere. Wikipedia  bezeichnet dies als Alltagskultur.
Nach der allgemeinen Definition kann es sicherlich eine Stipendienkultur geben wie sie von Bundesbildungsministerin Annette Schavan bezeichnet [1] wird. Man kann Stipendien pflegen. Doch mag das damit assoziierte "Ernten" oder "urbar machen" von dem was man pflegt vielleicht nicht so gut ausfallen. Oder man zerstört andere Dinge die eine Kultur ausmachen. Und dann fällt das positive, welches ich mit Kultur verbinde leider weg.

Nun aber zur Thema selbst:
Sind Stipendien sinnvoll? (und damit positiv)
Optimalerweise sind Stipendien Unterstützungen für besonders begabte Menschen um ihnen die Möglichkeit zu geben ihre Fähigkeiten weiter auszubauen und diese damit zu nutzen.
Der Nutzen der Geldgeber besteht dann darin, dass diese Menschen später produktiver sind, besser forschen, Arbeitgeber anlocken oder sonstige finanziellen oder ideellen Vorteile bringen (Man denke zum Beispiel an die Stipendienstiftungen der Kirchen).

Zu diesen Stipendien gesellt sich dieses Jahr auch das "Deutschlandstipendium" der Bundesregierung. Es soll einkommensunabhängig die besten Studenten einer jeden Hochschule finanziell fördern. Dabei soll es nicht nur auf die Noten sondern auch außeruniversitäres Engagement ankommen. Ich persönlich traue dieser Aussage nicht. Im Endeffekt wird alles wieder auf die besten Noten heraus laufen.

Sein Spektrum erweitern und andere Gebiete kennen lernen
ist ein wichtiger Bereich einer jeden (Aus)Bildung - Auch wenn
dies nicht benotet wird und man keine Urkunde bekommt...


Wo sind die Schwachstellen? Soweit hört es sich im ersten Moment sinnvoll an, doch ein paar Schwachstellen gibt es meiner Meinung nach:
Ein Punkt ist die Gruppe der Menschen, die das Stipendium erhalten. Der erreichte Bildungsabschluss hängt stark von der Bildung [2] und vom Einkommen der Eltern ab. Ohne auf sehr viele Studien verweisen zu können (ich bin übrigens über jeden Hinweis auf eine Studie pro oder contra meiner Meinung dankbar) habe ich die Hypothese, dass der Anteil der Menschen aus einkommensstarken Familien mit Eltern mit hohem Bildungsabschluss im Feld der möglichen Stipendiaten des Deutschlandstipendiums überaus hoch ist. Die Möglichkeiten der Förderung der Kinder durch die Eltern sind in diesen Familien finanziell besser und das Lebensumfeld ist weitaus mehr auf Bildung ausgerichtet. Somit fördert dieses einkommensunabhängige Stipendium überdurchschnittlich viele gutverdienende Familien. Doch gerade diese Familien benötigen im Vergleich zum Durchschnitt meist nicht diese finanzielle Förderung und es macht keinen Unterschied in der Bildungslaufbahn dieser Studenten.
Dies bedeutet, dass eine Förderung ohne wirklichen Nutzen bleibt. Ebenso verbessert es aufgrund der beschriebenen Situation kaum vertikale Mobilität von einkommensschwachen Personen und ist nicht mit meiner Definition von sozial vereinbar.
Natürlich soll man Begabte fördern. Doch dies kann ebenso einkommensabhängig oder durch besondere Bildungsmaßnahmen (wie zum Beispiel Mitarbeit in der Forschung schon während des Studiums, flexibles Studium welches man auf die Bedürfnisse des Studenten anpassen kann oder Studium an einer Universität im Ausland)  geschehen.
Soziale Fähigkeiten sollten auch als Ingenieur vorhanden sein.
Auch dies wird nicht benotet oder bezahlt (zum Glück).
Einen weiteren Kritikpunkt erlebe ich jeden Tag um mich herum. Mit der Einführung von Stipendien für die besten X% einer jeden Universität wird die Studentenkultur sich stark verändern. So wie in Nordamerika wird das Hauptaugenmerk der Studenten noch mehr darauf gerückt die besten Noten zu erreichen. Es wird mit allen Mitteln gekämpft besser als der "Andere" zu sein. Dies beeinträchtigt stark die von mir so geliebte Art des Studiums welche ich in Karlsruhe erleben durfte. Bisher waren Noten zwar wichtig, doch es war ebenso wichtig gemeinsam das Studium zu meistern, als Team zu arbeiten, einen Blick über die Studienfachgrenzen hinaus zu werfen, Dinge zu studieren, die jemanden gerade in diesem Moment interessieren, sich sozial zu engagieren, ein Teil der Gesellschaft zu sein und nicht als Theoretiker in seinem Schreibtischstuhl zu verstauben. Gerade das macht meiner Meinung nach den guten Ruf des deutschen Ingenieurs aus. Er kennt mehr als nur die Formel die man auswendig lernen soll. Er sieht den Gesamtzusammenhang, weiß wie das Leben läuft, hat soziale Kontakte und ist begeistert von seinem Beruf ohne ständig mit anderen konkurrieren zu müssen und unter den besten X% zu sein um sich selbst zu bestätigen. Dies ist das produktivste Umfeld das man sich denken kann.

Damit ist die "Stipendienkultur" welche durch das "Deutschlandstipendium" geschaffen werden soll weder förderlich, noch sozial. Würde man das Geld sparen und damit die Studiengebühren abschaffen oder die unterfinanzierte Lehre wieder auf den alten Stand bringen, dann hätte man weitaus mehr erreicht. Damit fördert man Begabte dann wirklich: Die Barriere ein Studium zu beginnen wird geringer und die Studiensituation besser. Nebenbei ist es auch sozialer.
Wer immer noch an Stipendien glaubt, der sollte einen Aufenthalt in den U.S.A. in Betracht ziehen und sich selbst überzeugen ... :-)

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